Brief an unsere Aktionäre

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre (Handschrift)
Matthias Müller (Foto)

dies ist der erste Geschäftsbericht des Volkswagen Konzerns, in dem ich mich als Vorstandsvorsitzender an Sie wenden darf. Darüber freue ich mich, auch wenn ich dies gerne in besseren Zeiten tun würde: Infolge der Unregelmäßigkeiten bei Dieselmotoren, die allem widersprechen, was Volkswagen im Kern ausmacht, befinden wir uns mitten in der wohl größten Bewährungsprobe unserer Unternehmensgeschichte. Im Namen des Volkswagen Konzerns bitte ich Sie, unsere Aktionärinnen und Aktionäre, um Entschuldigung dafür, dass auch Ihr Vertrauen in Volkswagen enttäuscht wurde.

Wir setzen alles daran, diese Krise zu bewältigen: mit effektiven technischen Lösungen für unsere Kunden und mit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit allen zuständigen Behörden, um die Geschehnisse vollumfänglich und transparent aufzuklären. Dabei kommen wir Schritt für Schritt voran. Mit Blick nach vorne kommt es indes vor allem darauf an, dass wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und die richtigen Konsequenzen ziehen, damit so etwas bei uns nie mehr geschehen kann. Das ist Voraussetzung dafür, dass wir Vertrauen wiedergewinnen und den Volkswagen Konzern zurück auf einen guten Kurs führen können. Mir ist klar, dass Ihre und auch unsere Geduld auf diesem Weg mitunter stark strapaziert werden. Aber wir alle bei Volkswagen arbeiten mit großer Ernsthaftigkeit und Engagement daran, das hohe Ansehen, das dieser Konzern zu Recht so lange genossen hat, wieder herzustellen.

Die aktuelle Krise belastet Volkswagen sehr stark. Das zeigen auch die finanziellen Kennzahlen für das zurückliegende Geschäftsjahr. Aber in diesen Zahlen steckt eine weitere wichtige Botschaft: Unser operatives Geschäft ist nach wie vor kerngesund, unser in der Branche einzigartiges Portfolio von zwölf starken Marken trägt uns auch durch diese schwierige Phase. Wir haben 2015 fast 10 Millionen Fahrzeuge an unsere Kunden ausgeliefert und den Umsatz um mehr als fünf Prozent auf 213,3 Milliarden Euro gesteigert. Das Operative Ergebnis, das sich im Vorjahr auf 12,7 Milliarden Euro belief, lag bei –4,1 Milliarden Euro. Ausschlaggebend dafür sind negative Sondereinflüsse in Höhe von insgesamt 16,9 Milliarden Euro, ohne die der Konzern das Vorjahresniveau leicht übertroffen hätte. Der Löwenanteil der Sondereinflüsse entfällt mit 16,2 Milliarden Euro auf Vorsorgen für die Dieselthematik, unter anderem für anstehende technische und kundenbezogene Maßnahmen, Rückkäufe sowie Rechtsrisiken. Das Konzernergebnis vor wie nach Steuern war aufgrund der hohen außergewöhnlichen Belastungen mit –1,3 beziehungsweise –1,4 Milliarden Euro negativ.

Ohne die Sondereinflüsse hätten wir erneut von einem insgesamt erfolgreichen Jahr sprechen können. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der unverändert robusten Finanzkraft des Konzerns schlagen Vorstand und Aufsichtsrat der Hauptversammlung der Volkswagen Aktiengesellschaft trotz des negativen Konzernergebnisses die Ausschüttung einer Dividende vor: Sie soll bei 0,11 Euro je Stammaktie und 0,17 Euro je Vorzugsaktie liegen.

„Wir alle bei Volkswagen arbeiten mit großer Ernsthaftigkeit und Engagement daran, das hohe Ansehen, das dieser Konzern zu Recht so lange genossen hat, wieder herzustellen.“

Matthias Müller

Es ist klar, dass die Dieselthematik in diesen Wochen vieles überschattet. Mir ist wichtig, dass Sie wissen: Volkswagen ist viel mehr als diese Krise. Unser Konzern verfügt über Qualitäten, die nicht über Nacht verloren gegangen sind und auf die wir auch für die Zukunft bauen können: starke Marken und großartige Fahrzeuge, eine hohe technologische Kompetenz und Innovationskraft, unsere globale Präsenz, Millionen Kunden weltweit, die uns die Treue halten, und eine kompetente Belegschaft, die alles gibt für eben diese Kunden. Vor der Leistung und dem Einsatz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe ich hohen Respekt. Dafür sind wir, dafür bin ich sehr dankbar.

Der Volkswagen Konzern hat den festen Willen und die Substanz, die schwierige Situation, in der wir uns befinden, aus eigener Kraft zu bewältigen. Dabei war mir von Beginn an wichtig, dass wir die Krise als Chance nutzen: als Chance zur Neuausrichtung des Konzerns in einer Automobilwelt, die vor einem epochalen Wandel steht. Unser Anspruch ist es, die richtigen Antworten zu geben auf die großen Zukunftsthemen Elektromobilität, Urbanisierung und Digitalisierung. Dazu muss der Volkswagen Konzern schneller und effizienter, flexibler und mutiger, technologisch progressiver und nachhaltiger in allen relevanten Aspekten werden. Deshalb erneuern wir unsere Strukturen, unsere Denkweise und die Art, wie wir an die Dinge herangehen. Und nicht zuletzt erneuern wir auch unsere Zielsetzung, sprich: Wir entwickeln unsere Strategie, mit der wir in den vergangenen Jahren sehr gut gefahren sind, angesichts der anstehenden Herausforderungen für die nächsten zehn Jahre weiter. Die Vorstellung der „Strategie 2025“ Mitte dieses Jahres wird ein wichtiger Meilenstein sein.

Das Jahr 2016, so viel steht schon heute fest, wird für Volkswagen ein Jahr des Übergangs und der Weichenstellungen für die Zukunft. Meine feste Überzeugung ist, dass wir mit etwas zeitlichem Abstand werden sagen können: So gravierend die Krise war, sie hat uns auch Türen geöffnet. Weil sie uns darin bestärkt hat, die richtigen Prioritäten zu setzen und überfällige Veränderungen zu beschleunigen. Und weil es uns gelingen wird, Volkswagen mit den Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, zu einem besseren Unternehmen zu formen. Zu einem Konzern, der die Zukunft mutig in die Hand nimmt, der nachhaltig wächst und langfristige Perspektiven eröffnet: seinen Kunden, Mitarbeitern und Partnern, der Gesellschaft und nicht zuletzt auch Ihnen, seinen Aktionärinnen und Aktionären.

Am Ende eines Aktionärsbriefes steht für gewöhnlich die Bitte um Vertrauen. Für uns gilt mehr denn je: Vertrauen muss man sich verdienen. Daran arbeiten wir. Deshalb bitte ich Sie in diesem Jahr vor allem darum, dass Sie Volkwagen trotz der aktuellen Belastungen die Treue halten und uns auf dem Weg in die Zukunft weiter begleiten.

Ihr

Matthias Müller (Handschrift)

Matthias Müller